Vorträge 2022

VORTRÄGE

Montag, 7. Februar 2022
Gebrauch und Schutz von Daten – zum Spannungsverhältnis von Persönlichkeitsrecht, Datenschutz und datenbasierter Wirtschaft im Lichte der neueren chinesischen Gesetzgebung
PROF. DR. GEORG GESK, UNIVERSITÄT OSNABRÜCK
Im Jahr 2020 verabschiedete die VR China ein neues Zivilgesetzbuch und veröffentlichte den Entwurf eines neuen Datenschutzgesetzes, welches im August 2021 verabschiedet wurde. Beide Gesetzgebungen wurden von umfassenden Debatten begleitet und traten 2021 in Kraft. In der chinesischen Öffentlichkeit wurden die Gesetzgebungen insbesondere hinsichtlich Fragen von individuellen und kollektiven Rechten diskutiert. Es wurde dabei gefragt, wie weit der absolute bzw. relative Schutz persönlicher Daten reicht und von wo an ökonomische Interessen an der Verwendung von Daten Vorrang haben. Georg Gesk beleuchtet in seinem Vortrag die Hintergründe der neuen Gesetzgebungen, analysiert die Behandlung von individuellen und kollektiven Rechten in den Gesetzestexten und diskutiert den Ausgleich von privaten, ökonomischen, und öffentlichen Interessen

Montag, 14. März 2022
China seit 1978. Politik, Wirtschaft, Gesellschaft
PROF. DR. NICOLA SPAKOWSKI, ALBERT-LUDWIGS-UNIVERSITÄT FREIBURG
Die Volksrepublik China hat seit Beginn von „Reform und Öffnung“ im Jahr 1978 beachtliche Erfolge erzielt. Wirtschaftswachstum und technologischer Fortschritt haben nicht nur zu einer deutlichen Erhöhung des Lebensstandards beigetragen, sondern China in einzelnen Bereichen an die Weltspitze gesetzt und außenpolitisch zum „global player“ gemacht. Wie kann diese Entwicklung erklärt werden? Der Vortrag zeigt die hohe Dynamik und das spezifische Zusammenwirken von Politik, Wirtschaft und Gesellschaft Chinas seit 1978 auf. Er geht überdies auf das Problem der Bewertung ein: Ist es gerechtfertigt, die vergangenen mehr als vierzig Jahre der Geschichte Chinas als Erfolgsgeschichte zu beschreiben? Oder sollten wir die repressiven Seiten des Systems in den Vordergrund stellen und in China vor allem einen Systemkonkurrenten sehen?

Montag, den 23. Mai 2022
China in der Geopolitik des 21. Jahrhunderts
PROF. DR. EBERHARD SANDSCHNEIDER
Im Umgang mit Chinas Aufstieg hat der Westen bislang keine gemeinsame Position gefunden. Wie „funktioniert“ China? Welche globalen Ambitionen hat es und was könnten sinnvolle Strategien im Umgang mit China im 21. Jahrhundert sein? Die Chinadebatten sind von Vielstimmigkeit gekennzeichnet. Der chinesische Markt zieht westliche Unternehmen und Investoren an, aber das Spannungsverhältnis zwischen Werten und Normen und Kooperation und Wettbewerb bleibt die große Hürde in einem einvernehmlichen Umgang. Eberhard Sandschneider analysiert die gegenwärtigen Entwicklungen und Fragestellungen der internationalen Beziehungen aus geopolitischer Perspektive, insbesondere werden im Vortrag die Themenfelder Wirtschaft, Technologie und Forschung sowie Sicherheitspolitik beleuchtet.

Montag, 27. Juni 2022
Diskurse zu chinesischen Infrastrukturprojekten: Entwicklungsstrategie oder Herrschaftssicherung?
PROF. DR. BETTINA GRANSOW, FREIE UNIVERSITÄT BERLIN
Infrastrukturbauten als Mittel zur Entwicklung des Landes und zur Festigung der Herrschaft haben in China eine lange Tradition. Angefangen von der Legendenbildung um rivalisierende Schulen früher Wasserbau-Ingenieurskunst über das Für und Wider zu Chinas Strategie wirtschaftlichen Wachstums durch Infrastruktur bis hin zu unterschiedlichen Narrativen zur Neuen Seidenstraße und zu den sich als wertebasierten systemischen Alternativen verstehenden Infrastruktur-Initiativen der USA und der EU („Global Gateway“) sollen anhand von ausgewählten Beispielen aus Geschichte und (besonders) Gegenwart Chinas Diskurse und Kontroversen in ihren jeweiligen Kontexten dargestellt werden.

Montag, 11. Juli 2022
Transmediale Landschaften und die chinesische Malerei der Republikzeit
PROF. DR. JULIANE NOTH, FREIE UNIVERSITÄT BERLIN
Die chinesische Kunst der 1920er und 1930er Jahre war von einer großen Experimentierfreude und Produktivität geprägt. Viele Landschaftsmaler, die in Shanghai tätig waren, nahmen Anleihen in der Fotografie, skizzierten mit Bleistift oder Kohle oder experimentierten mit verschiedenen Drucktechniken. Reisen und das Malen berühmter Berge und Flüsse spielten dabei eine wichtige Rolle, und zahlreiche Künstler waren in die Produktion von Bildern und Texten für eine Straßenbaukampagne im Jahr 1934 involviert. Die Bilder, die in dieser Zeit entstanden, sind das Ergebnis von transmedialen Praktiken. Zugleich prägten sie nachhaltig die moderne Vorstellung, wie eine chinesische Landschaft aussieht. Im Vortrag präsentiert Juliane Noth neueste Forschungsergebnisse aus ihrem Buch Transmedial Landscapes and Modern Chinese Painting (Harvard Asia Center, 2022).

Mittwoch, 4. Mai 2022
Chinesisch studieren: Dimensionen und Lernziele einer distanten Fremdsprache im akademischen Kontext
PROF. DR. ANDREAS GUDER, FREIE UNIVERSITÄT BERLIN
Chinesisch gilt als eine der lernaufwändigsten Sprachen der Welt. Fundierte Kenntnisse der Sprache in ihren mündlichen und schriftlichen Dimensionen stellen eine Kernkompetenz der sinologischen Ausbildung dar. Im Vortrag beleuchtet Andreas Guder anhand der Ergebnisse einer 2020/21 durchgeführten Befragung der Chinesisch-Sprachabteilungen an chinawissenschaftlichen Universitätsinstituten in Deutschland institutionelle und inhaltliche Zusammenhänge und diskutiert Desiderata und Herausforderungen der Ausgestaltung einer umfassenden Sprachausbildung im Kontext der akademischen Auseinandersetzung mit China.

Montag, 12. September 2022
Das Ben Cao Gang Mu von 1593: Chinas größte Enzyklopädie zur Natur- und Heilkunde
PROF. DR. PAUL U. UNSCHULD, M.P.H., CHARITÉ-UNIVERSITÄTSMEDIZIN BERLIN
Das Ben cao gang mu 本草纲目, erstmals gedruckt 1593, ist eine weltweit einzigartige Enzyklopädie. Sie beruht auf wörtlichen Zitaten aus mehr als 1000 historischen literarischen Quellen, welche eine chinesische Sprach- und Terminologieentwicklung von fast zwei Jahrtausenden umfassen. Der Verfasser, der Arzt Li Shizhen 李時珍 (1518-1593), bezog sein Wissen aus allen Schichten der chinesischen Gesellschaft in Vergangenheit und seiner eigenen Gegenwart: Bettler, Sträflinge, Mönche, Priester, Ärzte, Gelehrte, Herzöge und Kaiser wurden gleichermaßen als kenntnisreich anerkannt und ihr Wissen wurde vorurteilslos in die Enzyklopädie einbezogen. Das Ben cao gang mu ist in der Veröffentlichung durch die University of California Press erstmals in einer vollständigen und kommentierten Übersetzung in eine europäische Sprache verfügbar, einschließlich des chinesischen Originaltexts (voraussichtliches Datum der Publikation aller Bände: Frühjahr 2023). Insgesamt neun Bände zu je etwa 1000 Seiten, plus drei Bände Lexika der historischen Krankheitsbezeichnungen, der historischen Ortsnamen sowie der zitierten Buchtitel und Personennamen, ermöglichen einen bisher verschlossenen Zugang zu einer der größten, vormodernen Enzyklopädien der Naturkunde mit detaillierten Informationen über mehr als 1900 Substanzen aus dem Pflanzen-, Mineral- und Tierreich, die seit dem Altertum für pharmazeutische Therapien verwendet werden, sowie deren Vorkommen, Sammlung und Verarbeitung. Darüber hinaus werfen zahlreiche Daten ein Licht auf die Verwendung dieser Stoffe in Bereichen des täglichen Lebens, die weit über Fragen von Medizin und Gesundheitsfürsorge hinausgehen. Chinesische Experten lieferten die Daten für die Lexika; für Fragen im Verlauf der Übersetzung des Ben cao gang mu waren sie unverzichtbare Ansprechpartner und Ratgeber.

Montag, 24. Oktober 2022
Neue Herausforderungen im Umgang mit China
Hochschulkooperation und eigenes Interesse
PROF. DR. HELWIG SCHMIDT-GLINTZER, CHINA CENTRUM TÜBINGEN
Seit die Rede davon ist, China wolle durch „internationale Forschungszusammenarbeit zu Wissen und damit zu Macht“ gelangen, werden im Zeichen der neuen geopolitischen Ausrichtungen und besonders intensiviert nach Russlands Überfall auf die Ukraine alle Beziehungen zu China auf den Prüfstand gestellt. Gestützt durch die EU-Verordnung 821 vom 20. Mai 2021 zur Ausfuhrkontrolle betreffend Güter mit doppeltem Verwendungszweck (Dual Use) wird nun auch im deutschen Hochschulsystem ganz gezielt eine neue Aufmerksamkeit zur Abwendung der „Abschöpfung von Wissen“ durch China institutionalisiert. Gestützt auf das Schlagwort von China als dem „systemischen Rivalen“ drohen die sich herausbildenden Abwehrstrukturen massiv die akademische Zusammenarbeit mit China zu beeinträchtigen und befördern ein „decoupling“ gerade auf den Gebieten von Bildung, Wissenschaft und Forschung. Um weiterhin die eigenen Interessen angemessen im Auge zu behalten, versucht der Vortrag diese Entwicklung in einen diachronen Kontext zu stellen und plädiert im Ergebnis für eine aufmerksame und kritische und zugleich intensivierte Zusammenarbeit mit China.

Digital Lecture Series
“Chinese Perspectives: China and the World through the Eyes of Scholars”

The digital lecture series “Chinese Perspectives: China and the World through the Eyes of Scholars” presents – in its second annual edition – leading Chinese scientists and their positions on current issues and developments in China and the world. Through lectures and the possibility for direct exchange and discussion, the series aim is to enter into dialogue and make perspectives of Chinese scholars accessible for European public debate.
The series is jointly organized by Confucius Institute at Università Cattolica del Sacro Cuore, Confucius Institute at Milan State University and Confucius Institute at University of Rome La Sapienza, in cooperation with Confucius Institute at Freie Universität Berlin and Confucius Institute at Confucius Institute Metropolis Ruhr.

Friday, 25 November 2022, 12:00 h (CET)
Prof. Dr. Huang Jing 黄靖, Shanghai International Studies University
Influence of the Ukraine War on International Relations

Friday, 2 December 2022, 12:00 h (CET)
Prof. Dr. Zhao Tingyang 趙汀陽, Chinese Academy of Social Sciences
The story of Tianxia and a theory of world system

Donnerstag, 15. Dezember 2022

Empires of Ideas: Creating the Modern University from Germany to America to China
PROF. DR. DR. H.C. WILLIAM C. KIRBY, HARVARD UNIVERSITY
Historisch betrachtet gelten deutsche Universitäten als wichtigste Impulsgeber für die Herausbildung des modernen Universitätswesens im 19. Jahrhundert. Dabei nahm die Berliner Universität eine führende Rolle ein. Im zwanzigsten Jahrhundert überholten die Vereinigten Staaten Deutschland und wurden weltweit führend im Bereich der Hochschulentwicklung. Angesichts des gegenwärtigen Aufstiegs chinesischer Universitäten in der globalen Universitätslandschaft stellt sich die Frage, ob China eine solche Führungsrolle im 21. Jahrhundert übernehmen wird.